Mein
Vater hielt bei seiner Arbeit das Beherrschen des Handwerks
für ungeheuer wichtig. Er war selbst ein ausgezeichneter
Handwerker und betonte es immer wieder in seinen Gesprächen
mit mir.
Als
Kind stand ich wie meine 3 Schwestern oft Modell. Nach der Ausbildung
zum Kunstgießer habe ich jahrelang mit ihm gearbeitet. Z. B.
vergrößerte ich Figuren oder habe für ihn
Modelle für Brunnen und Plastiken angefangen. Wenn etwas
Brauchbares dabei war, hat er es mir aus der Hand genommen, ich durfte
es nicht weiter allein gestalten. Ansonsten besteht die Bildhauerei zu
50% aus Schleppen und Fegen, kein Wunder, daß mein Vater die
Maler beneidete!
In
den späteren Jahren kam er meist erst mittags zur Arbeit ins
Atelier, war dann aber bis 11, 12 Uhr nachts dort.
Um
eine Plastik aufzubauen, wurden immer wieder kleinere Mengen Gips
angerührt, von dem nie etwas übrigbleiben durfte.
(Vielleicht wurden deshalb manche Figuren immer dicker.)
Ständig wurde aber auch wieder etwas abgeklopft und mit
Feilen, Raspeln und Küchenreiben abgeschabt. „Zieh
mal alles zusammen”, sagte er. Und immer wieder Fegen, sonst
gab es Streit mit dem Hausmeister im Atelierhaus.
Wenn
ein Modell kam, durfte oder mußte ich gehen. Die meisten
seiner Arbeiten hat er nach der Natur begonnen und sie dann
später weitergearbeitet.
Mein
Vater hat immer das Bedürfnis gehabt, mit anderen Kollegen
über seine Arbeiten zu sprechen. Wenn der Tee fertig war,
sagte er oft: „Hol mal den Max”, das war der Maler Max Zander von der anderen Seite
des Flurs im Atelierhaus. Dann wurden schwache Stellen sichtbar gemacht
und besprochen. „Wichtig ist die Silhouette”, sagte
mein Vater. Langsam wurde die Plastik auf dem Drehbock gedreht, von
allen Seiten betrachtet, sowie im Spiegel angeschaut. Das Atelier hing
voller Spiegel. Am meisten genoß er diese Besprechungen mit
seinem Bildhauer-Freund Gyuri von Koväts. Aber
obwohl er zunächst viele befragte, hat er zum Schluß
gemacht, was er für richtig hielt.
Ein
Nickerchen mußte er auch mal machen, wobei er immer dann wach
wurde, wenn ich zu klopfen aufhörte oder die Maschine
stillstand. Häufig wurden auch die fertigen
Bronzegüsse wieder umgeändert, wobei uns zugute kam,
daß ich gelernter Gießer und Ziseleur war. Das ging
manchmal so weit, daß bei einer Bronze zuerst mal der Zopf
abgesägt wurde, dann die Armhaltung verändert, die
Figur mußte ein bißchen geneigt werden, was das
Abschneiden der Beine erforderte, und dann wurde wieder
geschweißt.
Mich
konnte es zur Weißglut bringen, wenn etwa ein Kopf zum
wiederholten Male abgesägt und wieder angeschweißt
werden mußte. Am Schluß war es dann aber einzusehen.
Da
man nie wußte, wie eine Plastik am Ende aussehen
würde, war ich beim Aufbau darauf bedacht, alles fester und
stabiler zu machen, als ich es eigentlich für notwendig hielt.
Man muß sich vorstellen: Wenn die Füße
auch nur einen Millimeter verändert werden, verschiebt sich
die Figur im oberen Bereich um Zentimeter. Lange Debatten zwischen
Vater und Sohn: Die Statik muß auch dann noch stimmen und
halten, wenn die Figur bzw. Idee wächst.
Da
die Proportionen an meines Vaters Plastiken auch nicht naturalistisch
sind, war eine Vergrößerung niemals nur ein
„groß machen”, sondern es entstand eine
neue Figur.
Mein
Vater hat sein ganzes Leben lang Freude an seiner Arbeit gehabt, was
ihm sehr wichtig war: seine Plastiken sollten Gefühle
vermitteln.
Was
die Gießerei angeht, die ich mit seiner Hilfe aufgebaut habe?
Er hat vielleicht eigennützig gedacht. Einen Gießer
großziehen, der das alles in Bronze umsetzt, was er gemacht
hat, warum nicht?
Christoph
Pasch
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