Marino
Marini
spricht in einem Brief von der Landschaft des Nordens, den
überschatteten kühlen Grautönen der
Wälder, als seiner Seelenlandschaft, er, der Mediterrane,
Nachfahre der Etrusker. Die Entsprechungen in umgekehrter Richtung
suchten und fanden Künstler aus dem Norden: Overbeck, Runge, Hans von Marees und in unseren
Tagen Gilles.
Auch
Pasch, den Sohn des Niederrheins, zieht es zum Mittelmeerraum. Ihn
provoziert dessen strenge Steinarchitektur zu künstlerischer
Aussage. Man erinnert sich an ein Gespräch mit ihm auf der
Piazza di Spagna vor der Spanischen Treppe. Seine Vorstellungskraft
bevölkert diese Treppe mit Gestalten, mit seinen Figuren, die
sich der gebauten Welt in ihrem eigenen Wachstumsprozess entgegensetzen
und damit in ein Spannungsverhältnis zum Raum eintreten:
für Pasch ein faszinierendes Problem seines Schaffens. Die
statuarische Aussage einer Hand, eines gestreckten Armes ist ihm ein
Formelement in größerem rhythmischem Zusammenhang.
Es gibt von Pasch überlebensgroße Pomonen, die einer
bedrohlichen Welt zu entstammen scheinen. Diese Kunst ist nicht
bukolisch, sie ist modern im Sichtbarmachen grenzhafter
Zustände und Gefährdungen. Einige der letzten
Großplastiken sind Beispiele: die armlose
Mädchengestalt, die monumentale Gewandfigur, die steil in die
Höhe ragende Frauenbronze. Bei dieser hat die
Oberfläche als geschlossenes Ganzes aufgehört zu
existieren. Die Gestaltung des Innenraumes ist gleichbedeutend mit der
Formung des Umrisses. Die Transparenz ihrer plastischen
Zusammenhänge ist ablesbar, und die Verschiedenartigkeit und
Vielschichtigkeit der Ansichten führt den Betrachter um die
Plastik herum. Bei anderen Plastiken, auch in der Vielzahl der
Kleinbronzen, steht die Gestalt in Verbindung mit Stegen,
Flächen, mit einem sehr differenzierten Rahmenwerk. Die Figur
ist oft mit einer Rückwand verbunden oder tritt ganz in die
Wand zurück und bildet mit ihr eine neue plastische Einheit.
Pasch
spricht sehr anschaulich über sein künstlerisches
Handwerk. „Ich versuche jede Linie, die Komposition der
Binnenform meiner Figuren, ebenso wie deren gesamten Umriss bis zum
letzten zu vereinfachen.” Das macht den poetischen Einfall
sichtbar: die Architektur des Körpers und das Archetypische
des Weiblichen. Und zu den Missverständnissen: „Die
Plastik ist den Formgesetzen der Natur nicht unterworfen, das Kunstwerk
genauso wenig identisch mit der anatomischen Wirklichkeit wie die
Gliederung der Plastik mit den Proportionen eines
Körpers.”
Seine
Gestaltgewordenen Erfahrungen erinnern an ein Wort Odilon
Redons über Pissarro: „Ein
merkwürdiges Talent, das die Natur beinahe zu vergewaltigen
scheint. Er behandelt sie in einer scheinbar elementaren Manier, aber
das zeugt von seiner Aufrichtigkeit. Er ist jener Entsagungen
fähig, die den Gesamteindruck umso lebendiger betonen, der
immer stark ist, weil er einfach ist.”
Georg von Kováts
1985
im Katalog der 24. Jahresausstellung der Neuen Darmstädter
Sezession
Darmstadt,
Mathildenhöhe
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